Mittwoch, 29. Juli 2009

Die Schiffe des römisch-germanischen Museums

Bei den Recherchen über Nachbauten historischer Schiffe wurde Arch. Linner auf das römisch-germanische Zentralmuseum in Mainz aufmerksam. Dort wurden in einer Dependance römische Schiffe als 1:1 Nachbauten gezeigt. Linner führ daraufhin mit einer Empfehlung der Direktion des NHM nach Mainz, um diese Schiffe zu besichtigen und eventuell Unterlagen und Pläne für einen Nachbau zu erhalten.
Die Direktion des Museums teilte ihm mit, er könne im Gästequartier nächtigen und die Ausstellung sowie die deponierten Ausstellungsstücke ständen ihm für Fotos zu Verfügung.
Der erste Eindruck der 1:1 Nachbauten war hervorragend, die Schiffe sind wirklich allererste Qualität. Und was für Linner besonders bemerkenswert und interessant war, sie waren in ABM (Arbeitsbeschaffende Maßnahmen) von Arbeitslosen gebaut.
Leider entsprach jedoch der Schiffstyp nicht den Liburnen der Donau, es waren Navis Lusorias und ähnliche Fahrzeuge, teilweise mit einem Katapult an Bord. Die Schiffe hatten kein durchgehendes Verdeck, nur ein Halbdeck für das kleine bogenförmiges Zelt des Schiffsführer am Heck. Die Rojer saßen auf Ruderbänken, der Mast mit dem Rahsegel konnte auf Galgen gelegt werden. An der Bordwand aufgehängte Schilde schützen die Rojer. Der Bug war zu einer Ramme ausgebildet. Diese Art von Patrouillenbooten wurden in großen Mengen am Rhein eingesetzt.
Das Katapultgeschütz/Bolzenschleuder war eine faszinierende Konstruktion, mit einem MG vergleichbar. Mit einem Kastenmagazin versehen, wurden die Bolzen je nach Geschicklichkeit und Tempo des Laders abgeschleudert, der Richtschütze konnte bis zu 300m direkt schießen, und dies mit einer unwahrscheinlichen Durchschlagskraft. Ein Bolzen durchschlug eine Rüstung mit Leichtigkeit. Ein teilweise in Plexiglas ausgeführtes Exemplar des Geschützes zeigte die Funktion des Ladevorgangs, bei dem Bolzen um Bolzen vom Magazin automatisch in die Führungsrille des Geschützlaufes gelegt wurde, um abgefeuert zu werden. Ein geübter Schütze kam Linners Meinung nach auf 6-8 Schuß/Min.
Der Leiter der Abteilung zeigte Linner die Modellbau-Werkstatt, in der, ebenfalls in ABM, Modelle römischer Schiffe jeder Art im M 1:10 angefertigt wurden, als doch schon ziemlich große Exponate. Darunter befand sich auch die von Linner gesuchte 50-Rojer-Fluß-Liburne, welche an der Trajansäule in Rom als Relief mehrfach abgebildet ist, und nicht nur Liburnen, sondern auch Trieren. Abgüsse der Säulenmotive waren ebenfalls im Museum ausgestellt, und auch technische Zeichnungen der Schiffe. So ergab sich bei der Liburne eine Länge von ca. 24m. Das Modell war nicht getakelt, jedoch waren ohne Zweifel diese Kampfschiffe mit Vor- und Großmast ausgerüstet, welche im Kampf gelegt wurden. Sie erfüllten damals die Funktion eines Zerstörers oder Kreuzers des 21. Jh.
Die konservierten Teile der Originalschiffe waren ebenfalls ausgestellt, die handwerkliche Schiffbaukunst der Römer war überschaubar präsentiert, wie überhaupt das Museum einen fachlich hervorragenden Eindruck machte.
Zum Modell der Liburne wäre zu sagen, daß die Ausbildung des Bugteils mit Ramme Linner nicht überzeugte, es war für ihn schwer vorstellbar, daß die Römer als nüchtern denkende Funktionalisten und Logiker einen stumpfen, fast im rechten Winkel zur Fahrtrichtung abgestumpfen Bug anbrachten, nur um eine größere Back zu erhalten. An der Steinplastik des Weinschiffes sieht man ebenfalls nicht den abgehackten Bug, sondern einen normalen strömungsverlaufenden Schiffsbug. Linner war überzeugt, daß der Linienriss eine harmonische Kurve in der Wasserlinie aufwies und beschloß, seine Rekonstruktion der Liburne danach zu erstellen.
DieRömer verfügten über eine umfangreiche Fluß- und Seeschiffahrt auf den Flüssen und Seen Europas. Besonders auf der Donau, dem Danuvius, und dem Rhein, dem Rhenuia, wurden starke Verbände von Flußstreitkräften stationiert, bildeten diese Flüsse doch einen natürlichen Limes gegenüber Germania.
Die eingesetzten Einheiten gingen von kleineren Flußliburnen und Moneren mit 9,5m Länge bis zu großen Trieren mit Längen bis zu 35m sowie Lemden (navis agrariensis und navis iudiciaria), vergleichbar im 21. Jh. vom Aviso über die Korvette bis zum Kreuzer.
Die römischen Schiffe hatten eine extrem kurze Bauzeit (für ein Schlachtschiff, eine Quinquereme, benötigten die Römer von der Kiellegung bis zur Indienststellung nicht mehr als 40-60 Tage. Caesar ließ im 1. Jh.v.Chr. für die Blockade von Massilia/Marseille bei Arelate/Arles zwölf Kriegsschiffe, vermutlich leichtere Einheiten, äußerstenfalls Triremen, in 30 Tage erbauen (es wird ausdrücklich erwähnt, daß diese Zeitspanne vom Fällen der Bäume bis zum Auslaufen der kampfbereiten Schiffe zu rechnen ist) und eine außerordentlich lange Lebensdauer, weit länger als ein Schiff des 17. u. 18. Jh. 60-80 Jahre waren keine Seltenheit. Der Bericht von Livius über eine 80 Jahre alte Quadrireme, die nochmals in See ging, ist durchaus glaubwürdig.